In seinem Beitrag „In der Schuldenfalle“ beschreibt der Autor Alexander Jung, wie Schuldenlawinen die Staatswesen in den Abgrund reißen. Faktenreich zeigt er, dass es über Jahrzehnte hinweg keine Alternative zum Schuldenanhäufen gab. Anschaulich beschreibt er den Automatismus der Schuldenlawine und verschweigt nicht die Konsequenzen für die Bürger: Enteignung durch „eine Art Notopfer Europa“ oder durch Inflation. Scharf verurteilt er Wähler und Politiker: „Die westlichen Volkswirtschaften haben nicht viel anders gehandelt als der Betrüger Madoff. … Fast alle haben über ihre Verhältnisse gelebt: Konsumenten, Politiker, Staaten - in Europa wie in Amerika. Und deshalb sind die Regierenden zu Getriebenen jener ominösen Märkte geworden, von denen sie sich abhängig gemacht haben.“ 1/2012
Und dennoch versagt seine Analyse im entscheidenden Moment: Das Anwachsen der Schulden geht Hand in Hand mit dem Wachstum der Geldvermögen. Wachsen letztere an, müssen auch die Schulden wachsen; wenn nicht bei den öffentlichen Haushalten, dann bei den privaten und in den Unternehmen. Jede dieser Entwicklungen hat katastrophale Folgen.
Das zu Beginn des Artikels gemachte Versprechen „Es gibt noch Auswege“ wirkt zum Ende hin sarkastisch. Die Enteignung der Sparer, ob durch Geldentwertung oder durch massiv höhere Steuerlasten, kann keine Perspektive für ein friedliches Gemeinwesen sein. Die Verstaatlichung aller großen Geldvermögen hätte ökonomisch und innenpolitisch unabsehbare Konsequenzen. Daher heißt es im Text weiter: „Eine weichere, beinahe elegante Strategie zur Entschuldung ist der Weg über die Inflation.“ Doch auch diese Annahme hält keiner kritischen Hinterfragung stand. So schreibt die NZZ-online in ihrem Beitrag „Inflation beseitigt keine Staatsschulden“:
„Die Kosten für diese Form der politischen Lösung zahlen dann die Pensionäre, deren nominale Pensionsansprüche im Laufe der Zeit weniger wert sind.“ Inflation ist Betrug an den Bürgern und die katastrophale Folge ökonomischen Versagens. Dies als einen Ausweg für die Schuldenkrise zu bezeichnen ist Zynismus.
Was aber bleibt Jung, um seinen Lesern etwas Hoffnung zu belassen? Die Staatsausgaben können deutlich zurückgefahren werden. Dies würde aber die Bürger indirekt über die sinkende Wirtschaftsleistung treffen, oder direkt über fehlende Transferleistungen mit herben persönlichen Einschnitten. In einer Welt mit nie dagewesenem Reichtum muss das zu Aufständen der Menschen führen.
Daher rettet sich der Autor vermeintlich in die Formulierung: „Wachstum ist zweifellos der beste Weg, sich aus der Schuldenfalle zu befreien“ und straft sich damit selber Lügen. Sicherlich befindet er sich mit dieser Aussage in bester Gesellschaft. So schreibt SPIEGELonline im Vorfeld des Wirtschaftsgipfels von Davos: „Die Leiter von elf großen internationalen Wirtschaftsorganisationen warnen die Staatschefs aller Länder vor zu strengen Sparmaßnahmen. Auf lange Sicht könnten finanzielle Kürzungen das Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gefährden.“ Wer zu sehr spart würgt das Wachstum ab, lautet das Credo aller namhaften Ökonomen. Doch auch das grenzenlose Wachstum der Weltwirtschaft ist nur eine Variante des Ponzi-Spiels. Permanent exponentielles Wachstum führt letztlich zum Zusammenbruch. Und auch hierfür gilt der Schlusssatz von Alexander Jung: „Sie alle wissen insgeheim: Noch nie ist ein Ponzi-Spiel gut ausgegangen.“
Es stellt sich daher die Frage, warum ein Nullwachstum von Geldvermögen und Schulden durch ein Null-Zins-Niveau, wie es die INWO fordert, dem Autor nicht einmal eine Erwähnung wert ist. Wenn Liquiditätskosten für Geld den durchschnittlichen Kapitalmarktzinssatz dauerhaft senken, ist die Lawinenlogik durchbrochen. Politiker und Ökonomen brauchen keine Tricks mehr, um die Probleme anzugehen und sie brauchen sich dann auch nicht weiter dem Verdacht aussetzen, praktisch legale Betrüger zu sein.
Klaus Willemsen, 20.01.2012
Der Autor ist freier Referent und ehrenamtlicher Vorstand der Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung. Siehe auch seine Website: www.klaus-willemsen.de
Verwendete Quellen:
SPIEGEL 1/2012, 02.01.2012:
www.spiegel.de/spiegel/print/d-83422513.html
NZZonline.de, 19.01.2012
www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/inflation_beseitigt_keine_staatsschulden_1.14406222.html
SPIEGEL-online, 20.01.2012:
www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,810259,00.html
Von Schulden- und Wachstumsfallen
Von Schulden- und Wachstumsfallen - oder
Das Märchen vom Wachstum ohne Ende!
„Schneebälle. Lauter Schneebälle, die ins Rollen kommen und mit jeder Umdrehung voluminöser werden. So manches am ökonomischen System der Industrieländer ähnelt einem gigantischen Ponzi-Spiel. Mit dem Unterschied, dass diese Variante vollkommen legal ist. Alte Schulden werden mit neuen bezahlt, ohne dass die Schuldner einen Gedanken an die Tilgung verschwenden.“