Bei ihrer heutigen Ratssitzung sah die EZB keinen Änderungsbedarf bei ihren geldpolitischen Maßnahmen. Dafür hatte sie im März ja eine Lockerung verkündet, die erst noch wirken muss. Im Februar waren die Verbraucherpreise in der Eurozone in den deflationären Bereich gerutscht. Zudem hatte sich die globale ökonomische Perspektive deutlich verschlechtert. Die EZB wollte daher mit ihren weitreichenden Entscheidungen ein deutliches Zeichen ihrer Handlungsfähigkeit setzen. Neben einer historischen Herabsetzung des Leitzinses, zu dem sich Banken nun kurzfristig Geld bei der EZB leihen können - von 0,05 auf 0,00 Prozent - wurde auch eine Ausweitung des Anleihekaufprogramms von 60 Milliarden Euro pro Monat auf 80 Milliarden Euro verkündet. Dabei kauft die EZB seit Juni erstmals auch Unternehmensanleihen am Markt auf.
Doch am findigsten war die EZB wohl mit ihrer neuen Variante der Gezielten Längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (Targeted longer-term refinancing operations, TLTROs). Zu vier Terminen - der erste fand Ende Juni statt - können sich die Banken für vier Jahre zu 0 Prozent eindecken und bekommen am Ende sogar Geld heraus (bis zu 0,4 Prozent), wenn sie die Mittel zur Kreditvergabe an die Realwirtschaft nutzen. Dieser Anreiz zur Kreditvergabe an die Wirtschaft ist wichtig, weil diese Kreditvergabe nach wie vor ein – wenn nicht der – Knackpunkt im System ist. Das deutete auch Mario Draghi in der Pressekonferenz vom März an, inzwischen sieht er hier etwas mehr Licht.
Anders betrachtet ist TLTRO2 aber auch ein Mittel, um die Zinsspanne der Banken im Kreditgeschäft vonseiten der EZB zu subventionieren – allerdings nur derjenigen Banken, die nicht eh über genügend Einlagen verfügen.
Der Bargeld“umlauf“ ist seit 2007 um 64% gestiegen – wofür?
Priorität müsste es aus INWO-Sicht allerdings haben, den Geschäftsbanken endlich durch klare Ansagen den Weg zu ebnen, die Negativzinsen flächendeckend an diejenigen Kunden weitergeben zu können, die mitverantwortlich für die gestiegenen Kosten sind: die Kunden, die massiv Liquidität halten. Die Geldmenge M1 liegt in der Währungsunion mittlerweile bei 6.662.117 Mill. Euro (Jan. 16) und verzeichnet einen jährlichen Zuwachs von 10,6% - was sich jedoch keineswegs in der wirtschaftlichen Entwicklung wiederspiegelt. Allein der Bargeld“umlauf“ ist seit 2007 um 64% gestiegen – wofür?
So war zwar die Entscheidung vom März begrüßenswert, den Einlagenzins von -0,3 auf -0,4 Prozent weiter abzusenken, wie das einige im Rat bereits im Dezember befürwortet hatten. Die Banken müssen mehr Strafe zahlen, wenn sie ihr Geld horten. Richtig auch, dass Draghi jetzt zum wiederholten Male sagte, der EZB-Rat erwarte über den zeitlichen Rahmen des Anleihekaufprogramms hinaus gleichbleibend niedrige oder sogar noch niedrigere Zinsen.
Es fehlt den Banken jedoch in einem schwierigen wettbewerblichen Umfeld an Orientierung, wie sie gestiegene Kosten weitergeben können. Die Scheu der Kostenweitergabe an die Kunden ist zu groß, weil die Banken dann Bargeldabflüsse befürchten. Maßnahmen im Hinblick auf dieses Problem waren aber kein Thema in Frankfurt. Draghi bekannte sich auch jetzt wieder zum Erhalt des Bargelds. Die Abschaffung der 500er begründete er nicht mit dem - eigentlichen - geldpolitischen Hintergrund.
Dabei muss das Bargeld ja nicht komplett abgeschafft werden. Die Zentralbank sollte jedoch mit Hochdruck an einer technischen Lösung arbeiten, die die zunehmende Bargeldhortung mit Kosten belastet.
Wer gegen die Abschaffung des Bargeldes ist, muss auch bereit sein, für die Nutzung von Bargeld etwas zu bezahlen. Wer nicht dazu bereit ist, dafür etwas zu bezahlen, kann auch nicht erwarten, dass es welches gibt.
Quelle: https://www.ecb.europa.eu/press/pressconf/2016/html/is160310.en.html
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Das Bargeld-Problem wird volkswirtschaftlich noch nicht verstanden